Paul Lacroix
Head of Products
Ossiam
Wird sich die Dynamik des S&P 500 fortsetzen?
Der S&P 500 verbuchte bisher ein ausgesprochen starkes Jahr. Er gewann über 10 % und knüpft damit an zwei ebenfalls sehr starke Jahre 2023 und 2024 an – mit einem Plus von über 20 %. Abgesehen davon hat es in diesem Jahr aber durchaus Volatilität gegeben. Wir erinnern uns alle an das erste Quartal, den DeepSeek-Schock und die Fragen der Anleger zur Bewertung von KI, aber auch an die Zölle von Donald Trump, die dem S&P 500 im ersten Quartal mehr als 15 % Verlust bescherten. Wir bei Ossiam interessieren uns für Bewertungen. Und zu diesem Zweck ziehen wir die CAPE Ratio heran, die von Professor Shiller entwickelt wurde und vor allem in den USA häufig verwendet wird.
Ein Blick auf die CAPE Ratio des S&P 500 zeigt, dass sie heute knapp unter 40 liegt – auf demselben Niveau, das während der Dotcom-Blase kurz vor der Krise vorlag. Uns sollte das daher zu einer gewissen Vorsicht für die Anleger veranlassen, insbesondere in den am stärksten überbewerteten Sektoren wie Technologie.
Welche Diversifikationsmöglichkeiten bieten US-Aktien?
Der S&P 500 ist aufgrund der ausgesprochen starken Performance einiger weniger Unternehmen mittlerweile sehr konzentriert. Betrachten wir die zehn Spitzenwerte im S&P 500, so entfallen darauf über 35 % seiner Gewichtung. Man könnte annehmen, der S&P 500 sei stark diversifiziert, weil er 500 Unternehmen abdeckt, doch in Wirklichkeit ist er auf ein paar wenige Aktien in wenigen Sektoren fokussiert und konzentriert. Um eine solche Konzentration zu vermeiden, schauen sich Anleger nach alternativen Lösungen wie beispielsweise Equal Weighting um, was in den letzten Jahren großes Interesse erregte. Bedauerlicherweise kann die Wertentwicklung nicht überzeugen. Eine andere Lösung könnte eine Strategie zur Umschichtung zwischen Sektoren sein, um möglichst in unterbewertete Sektoren zu investieren, die von einer Erholung profitieren könnten. Dazu fallen uns Basiskonsumgüter oder zyklische Konsumgüter ein, die unter Bewertungsaspekten derzeit sehr attraktiv wirken.
Wie sieht Ihr Ausblick für europäische Aktien aus?
In Europa sind die Bewertungen im Vergleich zu den USA ziemlich attraktiv, vor allem weil die Performance dort in den letzten zehn Jahren anders als in den USA recht schwach war. Allerdings waren ein paar Sektoren ausgesprochen hoch bewertet. Ein Beispiel dafür ist der Verteidigungssektor, der stark von den im ersten Quartal erfolgten Investitionen profitierte und der im Vergleich zum übrigen Markt derzeit ziemlich teuer ist. Ansonsten leiden europäische Aktien nach wie vor unter langfristigen Problemen. Man denke nur an das gegenüber US-Unternehmen geringere Wachstum. Oder an die Schwierigkeiten bei Investitionen, die insbesondere Start-ups in Europa belasten. Viele europäische Start-ups suchen sich Geldgeber in den USA. Abschließend ist die politische Instabilität zu nennen, die in Europa herrscht, auch in Frankreich. Sie veranlasst Anleger, europäische Aktien mit Vorbehalt zu betrachten.
Welche makroökonomischen Faktoren unterschätzen die Märkte?
Unsere Gespräche mit Kunden aus aller Welt drehen sich hauptsächlich um KI. In der Vergangenheit investierten alle KI-Unternehmen in unterschiedliche Themen. Google befasste sich mit der Internetsuche, Apple produzierte das iPhone, Microsoft entwickelte Software. Heute investieren dieselben Unternehmen gewaltige Summen – über 400 Milliarden US-Dollar jedes Jahr –, aber allesamt in ein und dasselbe Thema. Da wird es ein paar Gewinner geben, aber auch den einen oder anderen Verlierer, und das kann für die betroffenen Unternehmen ein enormes Risiko darstellen.
Der zweite, nicht minder interessante, aber von Anlegern mitunter übersehene Punkt ist, dass bislang überwiegend in die Produzenten von KI wie zum Beispiel Nvidia investiert wurde. Doch wenn KI tatsächlich eine Revolution darstellt, wird sie auch auf andere Sektoren übergreifen, die beispielsweise stark von Produktivitätssteigerungen profitieren werden. Ein Beispiel dafür ist das Gesundheitswesen, in dem KI dazu beitragen kann, neue Medikamente zu entwickeln und die Produktivität des Sektors zu erhöhen.
ETFs nehmen weiter Fahrt auf. Worin unterscheiden sich aktive und passive ETFs?
Ein ETF ist eine Investmentgesellschaft, die allerdings börsennotiert ist und wie eine Aktie täglich gehandelt werden kann. Es gibt zwei verschiedene Arten von ETFs: passive und aktive. Die passiven ETFs kommen am häufigsten vor. Passiv bedeutet, dass der ETF passiv einen von einem Indexanbieter berechneten Index nachbildet. Das könnte der S&P 500 sein oder der MSCI World. Es können aber auch komplexere Indizes wie „Equal Weight“-Indizes oder Dividendenindizes sein. Doch alle diese ETFs bilden einen Index nach und gelten deshalb als passiv.
Alle übrigen ETF-Gattungen sind aktive ETFs. Dabei kann es sich um quantitative Strategien handeln, die sich nach einem regelgestützten Ansatz richten, oder um vollkommen ermessensfreie, bei denen die Manager tatsächlich aufgrund ihrer Überzeugung Aktien oder Anleihen auswählen.
Welche langfristigen Wachstumstreiber werden Ihrer Ansicht nach die Aktienmärkte prägen?
Einer der ganz großen Trends, die wir in Europa beobachten, ist das Privatanlegergeschäft. Das fällt uns in letzter Zeit in Deutschland auf, aber auch in Frankreich. Eine Menge Privatanleger steigen ins Investmentgeschäft ein, vor allem über Plattformen und direkte Anlagen, aber viele engagieren sich auch in ETFs. Warum investieren sie? Die meisten möchten angesichts der Diskussionen über die Rente Kapital für die Zukunft aufbauen, aber die EU versucht auch, Anleger zu fördern und Unternehmen in Europa dabei zu unterstützen, Kapital von diesen Einzelanlegern zu erhalten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ein zweiter Trend, den wir nicht vergessen sollten, ist ESG. Wir wissen, dass es in diesem Segment in letzter Zeit nicht nur in Bezug auf die Performance Probleme gegeben hat, sondern auch mit Blick auf die Zuflüsse. Doch nur, weil nicht mehr so viel Kapital in diesen Bereich fließt, sind die damit verbundenen Risiken und Probleme nicht vom Tisch. Im langfristigen Management sind solche Risiken unbedingt zu berücksichtigen, um effiziente Portfolios aufzubauen.